Der 304-seitige revidierte kantonale Richtplan der Dienststelle Raum und Wirtschaft (rawi) legt in 6 Kapiteln die Grundzüge der zukünftigen Entwicklung fest. Er beeindruckt durch professionelle Strukturierung, Analyse und detaillierte Darlegung von Zielen, Strategien und Massnahmen, die postive Entwicklungen erwarten lassen. Leider beschleichen einen bei der Lektüre Zweifel.
Etwas gar widersprüchlich, dass der Kanton die 2000-Watt-Gesellschaft mit netto Null Emissionen anstrebt, gleichzeitig massives Wachstum will und die Kernenergie totschweigt. Und ist es wünschbar, dass die Gemeinden den Privaten Vorschriften zum Ziel einer klimaangepassten Siedlungsentwicklung vorgeben sollen? Dass der Staat nicht nur definiert, auf welcher Wirtschaftsform die Landwirtschaft beruhen soll, sondern auch «mit den Mitteln der neuen Regionalpolitik» «bodenunabhängige Spezialkulturen» und alle möglichen Dinge fördern, unterstützen und sicherstellen will? Er weiss eben alles besser als der freie Markt! Und er ist entschlossen, seine Pläne gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern ohne Pardon durchzusetzen.
Der Grundtenor: im Wachstum liegt das Heil! Natürlich stets «nachhaltig» und klimaneutral. Der Kanton betreibt «aktive Bodenpolitik», um seine Anliegen «rasch durchsetzen zu können» und seine «Handlungsoptionen zu vergrössern». Ganz wichtig dabei: die «wirtschaftlichen Entwicklungsschwerpunkte (ESP)». Wohin sie zu liegen kommen, bestimmt man «in Luzern oben». Reiden / Wikon / Dagmersellen etwa werden zum ESP, d.h. zur Verkehrsdrehscheibe und Industrieansammlung. Die Luzerner Version von Härkingen-Egerkingen. Das Reider SAG gehört natürlich dazu. Ob wir das wollen? Egal. Der Staat denkt, der Staat lenkt. Lehn Dich zurück und geniesse die quirligen Verkehrskreisel.
Doch in der Schweizer Demokratie muss die Bevölkerung über Entwicklungen ABSTIMMEN können, die das Potential haben, ihre Lebensumstände fundamental und irreversibel zu verändern. Ob wir ein Dorf oder eine lastwagenverseuchte Verkehrsdrehscheibe sein wollen, dazu wollen wir ein Wort mitreden.
Umsomehr, als bis 2050 ein jährliches Wachstum der Bevölkerung und der Beschäftigten von 0,60 Prozent geplant ist. Eine Verdoppelung in 117 Jahren! Bei 1% Wachstum jährlich in nur 71 Jahren – und eine Verachtfachung innert zweier Lebensspannen zu 95 Jahren... Doch bis dahin haben wir sicher einen neuen etatistischen Richtplan, der uns sagt, wie wir uns entwickeln dürfen.
Frage: Stellt sich die liberale FDP gegen den Ammenstaat? Die SVP gegen die masslose Zuwanderung? Die «Mitte» gegen die industrielle Überbauung wertvollen Kulturlands im Wiggertal? Die SP und Grünen gegen die Degradierung des Reider Dorfcharakters? Der Bauernverband gegen das Produktionsdiktat und den Verlust der Lebensgrundlage (Kulturland)? Die Umweltverbände und die Stiftung für Landschaftsschutz gegen die Zubetonierung der Landschaft? Wir sind gespannt.
Zwischen Reiden und Wikon soll ein industrielles Entwicklungsgebiet entstehen und auch das SAG Reiden soll reaktiviert werden. Um dies zu erreichen, will der Kanton die Entscheidungshoheit: nicht mehr die Gemeinde und deren Bürger bestimmen, was auf ihrem Land passiert.
In einem Mitwirkungsverfahren können bis zum 29. Januar 2024 Gemeinden, Parteien, Privatpersonen, Verbände, Organisationen und Nachbarkantone Rückmeldungen und Stellungnahmen an die kantonale Verwaltung einreichen.
Der Gemeinderat Reiden hat bisher weder über den Richtplan, dessen Auswirkungen auf die Gemeinde, noch über eine Mitarbeit am Mitwirkungsverfahren informiert.
Webseite zum Kantonalen Richtplan: https://richtplan.lu.ch/Kantonaler_Richtplan
Link zum Mitwirkungsverfahren: https://www.lu.ch/verwaltung/BUWD/buwd_vernehmlassungen_stellungnahmen/buwd_vernehmlassungen/vernehmlassung_detail?ID=354